FACHBLATT – GERMAN MUSIC MAGAZINE
FROM
JANUARY OF 1977
FEATURE
ALVIN LEE
“THAT’S
THE MUSIC I LOVE BY HEART”
“Bei Ten Years After wurde sehr
viel improvisiert, und nach 8 Jahren hatten wir alle Möglichkeiten
erschöpft. Da war einfach nichts mehr, wohin wir hätten
gehen können.
Wir hatten so viel improvisiert,
dass wir schon anfingen, uns zu wiederholen. Wir fanden
keinen Ausweg mehr, wir hatten uns festgefahren. Wir
mussten aufhören.
Ten Years After war wie das Sterben
eines Schauspielers, der zulange die gleiche Rolle
gespielt hat. Nun, nachdem wir mehr als zwei Jahre nicht
mehr zusammengearbeitet haben,
könnte sich natürlich wieder
etwas Neues entwickelt haben.
In dieser Zeit wird jeder neue
Erfahrungen und Eindrücke gesammelt haben, auf deren
Grundlage sich sicherlich gute Musik entwickeln lässt.
Nebenbei sind wir ja auch immer noch sehr gute Freunde.
Aber was die Zukunft auch bringt, es wird bestimmt nicht
ein Abklatsch vergangener Zeiten werden. Wir brauchten
damals alle etwas Ruhe, etwas Zeit, um uns zu besinnen.
Wir haben uns getrennt, weil musikalische Gründe dafür
sprachen, und wenn wir wieder zusammenkommen, dann
werden es wieder musikalische Gründe sein, die es
verlangen!
Fachblatt:
Konkret auf dich bezogen: wie sahen
denn die Gründe genau aus, die dich bewogen, Ten Years After zu verlassen? Lagen
sie deinem eigenen Selbstverständnis zugrunde oder
lagen sie in der Problematik eurer gegenseitigen
Beeinflussung versteckt ?
Alvin Lee:
Wohl beides. Ich glaube, das eine
schließt das andere nicht aus. Bei Ten Years After
hatte sich ein solches musikalisches Verstehen
entwickelt, dass jede Idee, egal von wem sie auch kam,
durch die Interpretation der anderen zur Ten Years After
– Musik wurde. Dabei wurden die Ideen zu oft verfälscht.
Ich meine, von dem, was man im Kopf hatte blieb einfach
nicht viel übrig. Ich wollte damals Lieder schreiben.
die auch vom Text her eine gewisse Bedeutung haben
sollten. Ich wollte gedankenvolle Texte schreiben. Ich
wollte auch mehr akustische Gitarre spielen, so wie ich
es auf einem Album gemacht habe.
Außerdem habe ich mich auch an
Country and Western
Songs versucht. Es sollte einmal Musik aufzeigen,
die nicht von emotionalen Ausbrüchen, von Schreien,
wilden, kreischenden Gitarrenriffs und explodierenden
Noten bestimmt wurde. Die Musik sollte durch klares
Spiel, saubere Noten und guten Text wirken. Und das habe
ich gebraucht.
Ich musste es machen, so wie ich
auch das „In Flight“ Album machen musste obwohl es
wieder anders als das Album „Pump Iron“ ist. Auf
diesem Album bin ich mit anderen Musikern neuen Ansprüchen
nachgegangen. Diesmal haben wir den Soli sehr viel Platz
eingeräumt. Ich wollte die Interpretation der
Keyboards, der Saxophone oder der anderen Instrumente
vorstellen. Bei diesen Arbeiten habe ich sehr viel
gelernt. Selbst wenn solche Dinge nicht erfolgreich in
kommerzieller Hinsicht sind, so bedeuten sie mir doch
sehr viel.
Ich habe sehr viel bei dieser
Arbeit gelernt.
Fachblatt:
Hat sich in dieser Zeit eine
bestimmte Vorliebe, eine Richtung für dich entwickelt,
der du nun musikalisch folgen möchtest? Was ich meine,
wird es in Zukunft vielleicht einen Alvin Lee geben, der
mit Rock oder Blues nichts mehr im Sinn hat?
Alvin Lee:
Nein, niemals! Meine Musik war
immer irgendwo zwischen Rhythm & Blues oder
Rock-Based Blues. Eine solche Musik kommt aber nicht aus
einer intellektuell begründeten Vorliebe oder
Entscheidung. Man hat es, oder man hat es nicht. Man
kann diese Musik nicht kreieren, wenn man sie nicht in
sich hat. Was aber die Zukunft angeht, da suche ich
noch.
Im Moment suche ich nach einer
musikalischen Balance zwischen akustischer Gitarrenmusik
und einem Funky - Rhythmus, ohne jedoch auf die „Ravin
und Blastin´Guitar“ zu verzichten. Meine Musik will
ich zwar nicht darauf aus richten – ich meine, ihr
Gesicht soll nicht von diesen Komponenten bestimmt
werden, aber ich erhoffe mir helfen, wieder zurück zu
gutem Rhythum & Blues zu kommen.
That’s
the music I love by heart !
Fachblatt:
Denkst du, dass dein Publikum dir
dabei immer folgen kann? Glaubst du, es wird verstehen
und begreifen, dass du diese Schritte tun musst, um dir
selbst und der Musik treu bleiben zu können?
Alvin Lee:
Mit Ausnahmen. Wir haben die
Erfahrung mit Alvin Lee and Company machen müssen In
dieser Band wurde die Musik nicht vom „blowin´“
bestimmt, sondern wir haben sehr viel präziser
gespielt. Vielleicht waren die Leute zuerst auch nur überrascht
, denn plötzlich –
nach den ersten Stücken – fingen
sie doch an zu verstehen. Das war fast überall so. Der
Unterschied war nur auf der Ebene des Verstehens, so wir
bei der einen Musik die Leute nur mit den Fingern
schnippen, während sie bei der anderen nur tanzen. Der
Anspruch ist einfach anders. Einmal
„tik a chtik cuch o cuch a tik“ oder „bang
räng whow räng chuch bäng gängagämgagäng“.
Diese andere Art, diese nicht so
wilde Musik, hat mir schon gefallen, aber letztlich habe
ich doch zu sehr diese „work out mood“
vermisst, wie sie in „I’m Going Home“
versteckt ist.
Ich habe dieses Feeling vermisst,
wie sie in „I’m going home“ versteckt ist. Ich
habe dieses Feeling vermisst, welches du brauchst, um
„Sweet Little Sixteen“ zu spielen. Deshalb versuche
ich jetzt, etwas in der Mitte zwischen diesen beiden
Komponenten zu finden. Also: interessante und
diffizilere Musik. verbunden mit gutem sauberen und
emotionalen Rock.
Fachblatt:
Wo immer du aber auftrittst, die
Leute wollen „I’m Going Home“ hören. Für viele
Rockenthusiasten ist dieser Titel gleichfalls zum
Synonym für Alvin Lee geworden. Wenn du nun dieses
Feld, vielleicht nur teilweise verlässt, werden sicher
manche enttäuscht sein. Vielleicht wird man von einem müde
gewordenen Alvin Lee reden, sicherlich aber wird es
schwer sein, dieses Alvin Lee Publikum mit einer veränderten
Musik zu überzeugen. Welche Rolle spielt dein Publikum
für dich, wie wirkt es auf deine Musik?
Alvin
Lee:
On
stage I really don’t care about the audience. Ich
spiele, was ich spielen muss und wie ich spielen muss.
Sprechen wir nur einmal von guten Nächten wenn es mir
auch gelingt, „To get myself off“ dann überzeuge
ich jedes Publikum. Das schaukelt sich dann so auf, und
es gelingen mir wirklich gute Konzerte. Aber mit dem
unbedingten Vorsatz auf die Bühne zu steigen, die Leute
ausflippen zu lassen, das finde ich nicht ehrlich.
Fachblatt:
Stimmungen und Gefühle sind also
anscheinend die treibenden Momente des Alvin Lee. Wenn
es nun zum Schreiben der Songs kommt, ist es doch
sicherlich notwendig, in einem entsprechenden Umfeld zu
sein. Wie und wann entstehen deine Lieder ?
Alvin Lee:
Das ist sehr unterschiedlich. Aber
du hast vollkommen recht, wenn du sagst bei mir sei
alles vom Gefühlszustand abhängig. Ich habe
verschiedene Gitarren, die ich auch unterschiedlich
einsetze, wenn ich meine Songs schreibe.
Die Zeiten oder Gelegenheiten, bei
denen mir Songs einfallen, sind zufällig. Manchmal fällt
mir sogar wahrend eines Konzertes ein neues Lied ein.
„I’m Going Home“ war ein solches Stück, das zufällig
entstanden ist.
Wir, damals noch Ten Years After,
hatten ein Konzert hinter uns und wollten schon von der
Bühne gehen. Die Leute riefen aber immer noch nach
einer Zugabe. Weil aber zu dieser Zeit unser Repertoire
noch sehr begrenzt war, wussten wir nicht, was wir
machen sollten.
Plötzlich hatte ich aber diese
Melodie im Kopf und habe sie den anderen vorgespielt,
und es gefiel ihnen. So haben wir „I’m Going Home“
gefunden.
Fachblatt:
Deine Songs entstehen somit wohl
auf zweierlei Art. Einmal stammen sie gänzlich aus dem
Gefühlsbereich, und zum anderen entspringen sie
konzentrierter Überlegung. Unterscheiden sich deine Songs auch
deswegen ?
Alvin Lee:
Ja, ganz bestimmt sogar. Wenn ich
Spontanes schreibe, dann schenke ich der Musik die größte
Aufmerksamkeit. Dann springe und tanze ich.
Bei den Balladen ist das natürlich
anders. Dann denke ich sehr lange über die Texte nach
und feile so lange, bis ich vollkommen zufrieden bin.
Beim Rock kommt alles auf
den Sound an.
Weißt du, Rockmusik ist einzig und
allein die Musik des persönlichen Ausdrucks. Dabei ist
es egal, ob die Note, die ich gerade spiele, die
richtige ist, oder was immer man darunter verstehen will
. Ich gebrauche die Gitarre, um Dinge zu sagen, die ich
sonst nicht erklären könnte. Deshalb sind meine Soli
auch ganz anders als z.B. die von George Harrison.
George spielt seine Lieder fast
immer gleich, vielleicht mal traurig oder mal happy,
aber sie klingen immer wieder gleich.
Ich könnte so etwas überhaupt
nicht. Da gibt es ganz einfach in meinen Stücken Riffs,
aus denen sich Passagen ableiten, die nur ganz typisch für
mich sind. Wenn ich mich danach fühle, dann jamme ich
einfach los.
Ich finde, nur so bleibt die Musik
wirklich echt und lebensfähig. Ich kann es richtig fühlen,
wie die Leute, ich meine die Mitspieler, von dieser
einzigartigen Stimmung gefangen sind. Das könnte
niemals passieren, wenn man nur auf die Bühne geht, um
wieder und wieder die gleichen Sachen zu spielen.
Deswegen waren wir ja auch mit TYA am Ende.
Fachblatt:
Wir sprechen immer nur von dir;
sicherlich auch mit Recht, denn ohne dich wäre ja wohl
TYA nicht so berühmt geworden. Deine zweite Band hieß
ja Alvin Lee & Co. Welche Rolle spielen da
eigentlich die anderen Mitmusiker, in deiner Band? Haben
sie ein Mitspracherecht, worüber können sie mit dir
reden, wo füllen sie bestimmte Funktionen aus? Erzähl’
doch mal was von der Zusammenarbeit untereinander.
Alvin Lee:
Zuerst einmal muß ich dazu sagen,
dass ich kein Bandleader bin. Ich erzähle niemandem,
wie und was er in meiner Band zu spielen hat. Es ist eigentlich genau das
Gegenteil: Ich möchte, dass meine Mitmusiker in der
Lage sind, ihrer Musik ihr eigenes feeling zu geben. Sie sollen die eigentliche Form um
meine Gitarre bilden, so wie sie es für richtig halten.
Sicherlich sind die Songs von ihrer
Entstehung her meine Lieder, aber die Einheit ist unser
aller Werk!
Anmerkung: Das Interview mit
Alvin wurde Mitte dieses Jahres während eines Festivals
in Düsseldorf aufgenommen.
Interview:
Merlin W. Frank
Fotos:
Claus Cordes
© By
Fachblatt - Köln
Fachblatt,
is one of Germany's most respected and highest
circulated music magazines. It featured Steven Rosen,
who was the West Coast Editor for Fachblattas. Steve is
also known for his famous contributions for Guitar
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